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„Man muss Menschen über das Lustvolle erreichen“

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"Man muss Menschen über das Lustvolle erreichen“

Dominik Eulberg entschied sich nach seinem Ökologie Studium bewusst gegen die Forschung. Mit Musik und Kunst könne er mehr für den Naturschutz erreichen, findet der international erfolgreiche Techno-DJ und Buchautor. Ein Gespräch über „Wunderfakten“, Musik als sozialer Klebstoff und wie Sprache für den Naturschutz eingesetzt werden sollte.

Herr Eulberg, Sie sind Ökologe und erfolgreicher DJ. Sie sagen, dass Sie über Ihre Musik völlig neue Zielgruppen für Naturschutz sensibilisieren können. Warum funktioniert dies durch Musik so gut?

Musik ist der soziale Klebstoff unserer Gesellschaft. Man muss Menschen über das Lustvolle erreichen, denn so tritt eine logische Kausalkette in Kraft: Wir schätzen nur das, was wir kennen, wofür wir sensibilisiert wurden und wir schützen nur, was wir schätzen.Wir haben eigentlich genug geforscht, wir haben super Innovationen, um regenerative Energie zu erzeugen, wir haben auch Wege, um das Artensterben aufzuhalten. Dennoch ändert sich nichts. Wir schaffen es nicht, den Transformationsprozess zu bewerkstelligen und rennen weiter sehenden Auges auf den Abgrund zu. Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen lähmt uns, die Gier nach Geld, Macht und alteingesessener Lobbyismus heizen dieses krankende System immer wieder und weiter an. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, nicht in die Forschung oder Wissenschaft zu gehen, sondern in die Kunst und Kultur, weil ich das Gefühl habe, damit mehr für den Naturschutz erreichen zu können. Ich sehe meine Aufgabe als Künstler darin, meine Reichweite zu nutzen, um Menschen für Naturschutz zu sensibilisieren. Ich mache dazu Konzerte, Live-Sets mit Naturvisuals, transdisziplinäre Biodiversitätsshows, wo ich als Künstler und Wissenschaftler in Person auf die Bühne gehe und versuche das kindliche Staunen, das in jedem von uns noch steckt, zu reaktivieren. Wir können diese wichtigen Transformationsprozesse nur im Kollektiv schaffen. Da ist Kunst und Kultur als niederschwelliger und lustvoller Vektor extrem wichtig, um neue Bevölkerungsschichten zu erreichen.

Sie wirken sehr nahbar für die Leute. So ermutigen Sie Besucher*innen Ihrer Livesets dazu, nach dem Auftritt noch mit Ihnen eine Fledermaus-Erkundung zu machen. Ist es schwierig, die Leute dafür zu motivieren?

Nein, überhaupt nicht, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie beliebt das ist. Neben meinen Auftritten als Musiker mache ich auch Lesungen, Vorträge, ornithologische Führungen und bin Fledermausbotschafter vom NABU. Das wissen oft auch die Leute, die zu meinen DJ-Sets kommen. Mittlerweile verlosen wir die Führungen im Vorfeld des Events, weil es sonst zu viele Teilnehmer*innen werden würden.

Warum glauben Sie, kommen diese Führungen so gut bei den Leuten an?

Die Leute finden es toll mit dem DJ, zu dem sie vorher getanzt haben rauszugehen. Spannend finde ich es besonders mit Leuten, die unbedarft mitgehen und nicht wissen, was sie erwartet. Die Wiesen auf denen man noch nie war sind die saftigsten. Die denken dann vielleicht erst: Der Eulberg will mit uns rausgehen und bisschen Quatsch machen. Spätestens wenn ich meinen Fachvortrag halte, merken sie aber, dass ich es ernst meine. Dann sind sie kurz irritiert. Wenn wir diese Schwelle aber überschritten haben, passiert etwas Wunderbares: Leute, die sich sonst nie freiwillig so etwas anhören würden, sind plötzlich hellauf begeistert. Oft rufen sie ihre Freunde an, machen Instagram Stories und tragen so diese Botschaften weiter.

Ihr Buch „Mikroorgasmen überall“ war Wissenschaftsbuch des Jahres 2021. Was reizt Sie daran, Bücher zu schreiben?

Ich mag es, eine Diversität in meinem Schaffen zu haben. In letzter Zeit habe ich nur geschrieben und wie ein Irrer zu Tierstimmen und Musik in der Natur recherchiert. Mein Anspruch ist, Bücher zu schreiben, die Einsteiger*innen faszinieren und gleichzeitig auch bei alteingesessenen Hasen ein Staunen zu erzeugen. Hierfür habe ich uralte Bücher aus dem 19. Jahrhundert ausgekramt, weil ich es spannend finde, wie früher Vögel benannt wurden. Zu dem Pirol konnte ich etwa erst kürzlich recherchieren, warum man ihn volkstümlich auch „Regenkatze“ nennt. Das liegt zum einen daran, dass sie auch ein katzenartiges Fauchen von sich geben. Zudem duschen Pirole bei leichtem Regen gerne in den Bäumen. Dazu lassen sie sich kopfüber mit geöffneten Flügeln von einem Ast hängen und in dieser „Fledermausstellung“ verharrend für mehrere Minuten beregnen. Ich mag es, richtig in die Tiefe zu gehen und solch spannende Fakten auszukramen, das ist für mich wie eine Schatzsuche. Ich nenne das „Wunderfakten.“ Das ist ein tolles Wort dafür, finde ich. Etwas, was zum Staunen anregt, das Wunderhafte – gleichzeitig ist das Wort „Wunder“ ja etwas verpönt, gilt als esoterisch, als unwissenschaftlich. „Fakt“ wiederum ist das nüchternste und wissenschaftlichste überhaupt.

Wie bringen Sie sich selbst in die Perspektive von jemandem, der sich noch nie mit beispielsweise Ornithologie beschäftigt hat?

Ich denke, mir kommt dabei meine Fähigkeit als Künstler zugute. Als Künstler*in ist man nur dann erfolgreich, wenn man die Emotionen des Publikums antizipieren kann. Seit 30 Jahren bin ich fast jedes Wochenende auf der Bühne, dadurch habe ich ein Gespür dafür entwickelt, was die Leute interessiert. Wenn ich auf der Bühne stehe, habe ich mein Publikum im Blick. Mir ist wichtig wahrzunehmen, wie die Menschen auf das, was ich mache, reagieren. Diese unmittelbare Interaktion ist sehr kostbar und hilft mir dabei, mich in die Perspektive des Rezipienten hineinzuversetzen.

In Ihrem Buch kritisieren Sie einerseits einen oft zu wohlwollenden Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Naturschutz. So schlagen Sie vor, nicht länger von Pflanzenschutzmitteln, sondern von Ackergiften zu sprechen. Andererseits sagen Sie, dass zu viele Horrornachrichten Menschen resignieren lassen. Wie sollte Sprache für den Naturschutz eingesetzt werden?

Ich sage nicht, dass man das Kind nicht beim Namen nennen darf. Problematisch ist aber, wenn in den Medien immer monoton im gleichen Duktus über den Ökozid kommuniziert wird. Es herrscht oft der Tonfall einer Tragödie, hoch alarmistisch, und das führt zu einer Resignation. Menschen denken, sie könnten nichts mehr ausrichten.Dann sind Begriffe wie Kipppunkte und Erhöhung der Meeresspiegel wie Schreckgespenster in einer Geisterbahn. Bei der zweiten Durchfahrt sind sie schon nicht mehr gruselig und nutzen sich ab. Man muss natürlich auch alarmistisch kommunizieren, darf die Leute aber mit ihren Ängsten vor dem Ökozid und der globalen Erwärmung nicht alleine lassen. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, offen über ihre Ängste zu sprechen. Dann können spannende partizipative Prozesse und die Energie entstehen, etwas im Kollektiv zu verändern. In dem man sich formiert, egal ob in Vereinen, Organisationen oder auch in privaten Initiativen, entstehen so aus offen fühlenden Minderheiten Mehrheiten.

Sie sagen außerdem, unser Sprachgebrauch würde unseren „arroganten Übermut“ widerspiegeln, wenn wir zum Beispiel unseren Lebensraum als Umwelt bezeichnen. Sie fänden den Begriff „Mitwelt“ passender. Auch den Begriff „Nachfahrenschutz“ fänden Sie passender, als von Naturschutz zu sprechen. Warum glauben sie, könne eine andere Wortwahl unsere Wahrnehmung ändern?

Ich denke, so könnten Menschen leichter begreifen, dass wir Teil einer hoch elaborierten Biosphäre sind, in der alles in feinsten Beziehungen und Zyklen in Balance steht, dass wir ein Lebewesen sind, welches leben will, umgeben von Lebewesen die leben wollen. Wir sind mittendrin statt nur dabei, genetisch enger mit dem Schimpansen verwandt als der Schimpanse mit dem Gorilla. Trotzdem erhöhen wir uns in unserer anthropozentrischen Hybris sprachlich. Beispielsweise verniedlichen wir Tiere als Männchen und Weibchen. Selbst wenn es ein riesiger Pottwal ist, dann ist es ein Pottwal Weibchen. Mit solchen Begriffen sollten wir in unserem täglichen Sprachgebrauch aufräumen, um der Natur sprachlich auf Augenhöhe zu begegnen.

Welche Projekte haben Sie künftig geplant?

Ende April erscheint im Eichborn-Verlag mein neues Buch mit dem Titel „Tönende Tiere“. Darin geht es thematisch um die Musik in der heimischen Natur. Wir hören einfach nicht mehr richtig zu, gerade mal drei Prozent der Bevölkerung erkennt einen Buchfink, neben der Amsel unsere häufigste Singvogelart, am Gesang. Ich habe die fünfzig spannendsten Tierstimmen in Noten transkribiert und schenke den Tieren so ein Instrument, in dem sie kleine Musikstücke komponieren. Durch Abscannen von QR-Codes im Buch kann man die Lieder zum Klingen bringen. Außerdem wird es ein Insektenquartett im Stile des schon von mir veröffentlichten Vogelquartetts „Fliegende Edelsteine“ geben. Mit dem Spielekollektiv Gaiagames entwickele ich zudem gerade weitere Natursensibilisierungsspiele. Mit Jan Haft arbeite ich gerade an neuen Natur-Dokus und an einem neuen Album zum Thema Schmetterlinge sitze ich auch gerade. Nächstes Jahr veröffentliche ich gemeinsam mit Thomas Hörren und dem Makrofotografen Thorben Danke ein Buch über Insekten. Das Schöne ist: Ich habe nie das Gefühl, dass ich arbeite, weil meine Arbeit mein Hobby ist.