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Heimat bilden

Hier geht es zu der kompletten Studie

Interview mit Dominik Eulberg, DJ und Biologe

Unter den für diese Studie interviewten Personen nimmt Dominik Eulberg eine besondere Stellung ein. Als heimat- und naturverbundener Westerwälder ist er ein weltweit erfolgreicher Musiker und DJ. Im Interview erläutert er, wie er sich von seiner Heimat als Künstler inspirieren lässt und gibt Einblicke in sein persönliches Heimatbewusstsein, das gänzlich ohne politische Imprägnierung auskommt.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Dominik Eulberg: Mein Bezugspunkt für Heimat ist ganz klar der Westerwald. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Ich habe auch in Bonn und Hamburg gelebt, aber ich habe die Verbindung zum Westerwald nie aufgegeben und die Kontakte nie abgebrochen. Heimat bedeutet für mich in erster Linie Sicherheit. Heimat gibt mir Halt. Heimat vermittelt mir Identität. Sie ist mein Habitat.

Wie unterscheidet sich Ihr persönlicher Heimatbegriff von anderen gängigen Verständnissen?

Dominik Eulberg: Für mich ist der Begriff sehr klar auf die Topografie des Westerwaldes, auf dessen Natur und Region bezogen, also auf das Gebiet zwischen Rhein, Lahn, Dill und Sieg. Das bezieht sich beispielsweise ganz konkret auf das Landschaftsprofil: In den sanften Hügeln des Westerwaldes fühle ich mich geborgen; im Rheinland etwa, wie zum Beispiel in der flachen Kölner Bucht fühle ich mich hingegen immer nackt und beobachtet. Für mich war schon als Kind klar: Ich gehöre in den Westerwald wie die Fische ins Wasser, hier möchte ich niemals weg. Hieraus beziehe ich meine Kraft, hier kann ich meine Batterien aufladen, hier muss ich gegen nichts ankämpfen. Und nur hier kann ich deshalb auch mein Potential als Künstler voll ausschöpfen.

Gibt es jenseits der Topographie etwas, dass Sie ganz spezifisch mit Heimat an sich und besonders mit Ihrer Heimat verbinden?

Dominik Eulberg: Die Dialektalik gehört für mich zum kulturellen Gut von Heimat. Ich finde es erschreckend, dass diese mehr und mehr ausstirbt. Ich kann noch Westerwälder Dialekt sprechen. Damit wird ja letzten Endes auch ein Lebensgefühl ausgedrückt. Wenn dies abgeschliffen wird, so geht auch ein Stück weit der Bezug zu einer bestimmten Realität verloren. Aus meiner Sicht müsste man zur Pflege der Dialekte auch in Schulen etc. mehr unternehmen, damit dieses wichtige Kulturgut nicht verloren geht.

Inwiefern spielt Heimat für Ihren beruflichen Kontext eine Rolle?

Dominik Eulberg: Ich bin ja Musiker von Beruf, obwohl ich studierter Biologe mit dem Schwerpunkt Ornithologie bin. Das heißt, ich bin auf mehreren Feldern tätig. Überall spielt Heimat eine Rolle. So verfasse ich beispielsweise gerade ein Buch über die heimische Natur, die für mich die größte Inspirationsquelle als Künstler ist. Natur ist für mich der genialste Künstler überhaupt, daraus ziehe ich Kraft und Kreativität. Dies möchte ich auch heute den Menschen nahebringen. Ich selbst bin ohne Fernseher und Medien groß geworden – daher war die Natur immer mein Bezugspunkt seit frühester Jugend an. Das kindliche Staunen über die heimische Flora und Fauna zu wecken, ist eines meiner großen Anliegen als Biologe und auch als Musiker. Meine Musik hat stets eine Metaebene, die sich mit Heimat beschreiben lässt. Mein letztes Album hieß „Mannigfaltig“ und ich wurde dazu von einem Schmetterling vor meiner Haustür mit dem Namen „Goldene Acht“ inspiriert. Über die weitere Assoziationskette vom „Siebenschläfer“ und dem „Neuntöter“ bin ich dann auf Idee gekommen, eine Zahlenreihe von eins bis zwölf bestehend aus heimischen Tierarten aufzulisten: Eintagsfliege, Zweibrütiger-Scheckenfalter, Dreizehenspecht, Vierfleck, Fünffleck-Widderchen, SechslinienBodeneule, Siebenschläfer, Goldene Acht, Neuntöter, Zehnpunkt-Marienkäfer, Elfenbein-Flechtenbärchen und Zwölfpunkt-Spargelkäfer. Damit hatte ich das Konzept des Albums und die Betitelung der einzelnen Tracks. Ich möchte den Menschen damit klar machen wie mannigfaltig und wunderschön die Natur auch vor unserer eigenen Haustür ist, man nicht dafür auf die Malediven oder in den tropischen Regenwald fliegen muss. Das Sensibilisieren für die Natur ist der wichtigste Anfang einer kausalen Kette, denn der Mensch schützt nur das, was er auch schätzt. Darum dreht sich im Endeffekt meine gesamte Arbeit als Künstler und gleichzeitig auch als Biologe.

Empfinden Sie sich mit diesem ungemein spannenden Ansatz in ihrem Umfeld der Musikwelt eher in einer exotischen Rolle oder haben Sie das Gefühl, dass Heimat in der Musik auch generell ein wichtiger Bezugsrahmen ist?

Dominik Eulberg: Das ist ganz unterschiedlich. Ich kenne viele Künstler, die ebenfalls sehr heimatverbunden sind; andere wiederum können wenig damit anfangen. Natürlich agiert die Musikszene sehr global. Aber auch unter den Künstlern ist es wie in der Natur. Bei den Standvögeln gibt es Individuen, die dennoch ziehen und bei den Zugvögeln gibt es einzelne Individuen die auch im Winter hierbleiben, etwa bei den Weißstörchen. Die einen zieht es genetisch bedingt in die Ferne, die anderen bleiben in der Heimat. Und so sind auch die Menschen ganz unterschiedlich. Viele Musiker sind ohne Zweifel Nomaden und Globetrotter, „heute hier, morgen dort“. Sie haben für sich den Anspruch, permanent in Rotation zu sein und wollen auch gar nicht irgendwo ankommen. Bei mir ist das ganz anders. Mich muss man immer beknien, eine längere Tour zu machen, da ich sehr ungern meine Heimat verlasse. Gerade weite Reisen nach Südamerika oder Australien etwa versuche ich so kurz wie möglich zu halten.

Das berührt den Punkt der Musik als Kunstform: Ist sie eher regional oder international?

Dominik Eulberg: Musik ist in jedem Fall etwas Globales und Universelles. Darum funktioniert es ja auch, mit der Musik rund um die Welt zu reisen, weil die Menschen dies überall verstehen. Lokale Dialekte und Sprachen werden hingegen nicht überall verstanden. Es ist schon ein Trend in der modernen Musikszene, dass die Menschen aufgrund dieses „globalen Lockrufes“ eher heimatlos und „entgrenzt“ sind – mit allen Vor- und Nachteilen, die dies mit sich bringt.

Hat sich Ihr Bezug zur Heimat im Laufe Ihres Lebens verändert?

Dominik Eulberg: Ich habe eine sehr tiefe Bindung zu meiner Heimat und das war immer sehr konstant. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich durchaus Probleme mit den Menschen hier. Man spricht ja nicht ohne Grund von den „Westerwälder Basaltköppen“, die allem Neuen erst einmal sehr unaufgeschlossen gegenüberstehen. Alles, was nicht der Norm entspricht, wird skeptisch beäugt. Das traf auch mich als Kind und Jugendlicher, weil ich nicht der Norm entsprach. Es war für mich sehr schwer, meine Individualität als Elektronik-Musiker und Flora-und-Fauna-Liebhaber hier auszuleben. Dies hat sich interessanterweise schlagartig geändert, als ich Erfolg hatte und Preise gewonnen habe. Das war für viele Basaltköppe dann wie eine Art Legitimierung meiner Buntheit und Individualität. Durch die Lobhudeleien der Presse erfuhr ich für sie wieder eine Art der Normierung. Stempel drauf: „ist in Ordnung, jetzt“. Aber mein Heimatgefühl ist immer konstant geblieben. Und ich nehme es inzwischen so war, dass im Zuge der digitalen Aufklärung auch die sprichwörtliche „Basaltköpfigkeit“ der Westerwälder zu bröckeln beginnt. Man kann heute hier viel freigeistiger agieren als früher. 129 4. Heimat in Rheinland-Pfalz heute Ist Rheinland-Pfalz als Ganzes für Sie dann überhaupt noch eine Bezugsebene? Zu Rheinland-Pfalz habe ich im Grunde überhaupt keine Bezüge. Der Westerwald ist für mich ein natürliches, in sich geschlossenes Gebiet – umgrenzt vom Rhein, der Lahn, der Dill und der Sieg –, wohingegen Rheinland-Pfalz ja eine völlig willkürlich gezogene politische Grenze hat. Ich habe mich bis heute nie als Rheinland-Pfälzer gefühlt. Rheinland-Pfalz ist ein Retortenstaat, mit dem ich mich nicht identifiziere.

Ist der Heimatbegriff für Sie politisch überhaupt verortbar?

Dominik Eulberg: Nein, Heimat ist für mich völlig unpolitisch. Heimat ist ein natürliches Habitat für den Menschen als Lebewesen. Der Heimatbegriff ist in verschiedener Hinsicht politisch instrumentalisiert, manipuliert, ich würde sogar sagen: prostituiert worden, aber er hat im Grunde nichts mit Politik zu tun. Parteipolitisch ist er für mich nicht verortbar – ein solcher Gedanke ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Viele unserer Interviewpartner verbinden Heimat auch mit konkreten Menschen und einer gewissen Mentalität von Leuten in einem gegebenen Landstrich. Wenn wir Sie richtig verstehen, gewichten Sie diesen Faktor nicht besonders stark für Ihren persönlichen Heimatbegriff. Dominik Eulberg: Genau. Ich hatte immer meine Probleme mit dem Schlag Menschen, die hier leben. Ich war immer eher freigeistig orientiert; die Menschen, die mir wichtig sind, kommen vielfach auch nicht hierher. Anders ausgedrückt: Ich könnte auch ohne Menschen prima hier leben – Heimat ist für mich nicht an Menschen gebunden, sondern an den Ort, an die topografische Lokalität.

Wie nehmen Sie denn den ökologischen Zustand Ihres „Habitates“ wahr?

Dominik Eulberg: Leider gibt es hier, wie eigentlich überall, wenig Positives zu berichten. Unsere Naturschutzbestrebungen greifen nicht, die politische Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist letztlich eine Katastrophe. Die Liste der bedrohten Tierarten wird länger und länger. Auch ich beobachte, dass viele Vogelarten, die früher hier gebrütet haben, inzwischen verschwunden sind: Raubwürger, Bekassine, Kiebitz, Rebhuhn und und und… Aber ich muss sagen, dass die Natur hier im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland noch relativ intakt ist. Wir haben hier schon noch ein buntes Mosaik an verschiedenen Biotopen und recht wenige Monokulturen. Die „Naturschützerszene“ ist im Westerwald meiner Wahrnehmung nach auch recht gut vernetzt und organisiert. Es gibt mit der GNOR (Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie) sogar eine sehr aktive, rein regional agierende Naturschutzorganisation. Wir ziehen hier gemeinsam an einem Strang.

Tragen Entwicklungen wie Globalisierung und Digitalisierung zu einer Renaissance des Heimatbewusstseins bei?

Dominik Eulberg: Ich denke schon, dass es hier einen Zusammenhang gibt. Der Mensch als biologisches Wesen probiert jedes neue Instrument, das er in die Hand bekommt, zunächst einmal vollumfänglich aus. Dies gilt natürlich auch erst einmal für alle technologischen Entwicklungen, die mit Globalisierung und Digitalisierung zusammenhängen. Doch dann stellt man alsbald fest, dass es hier auch negative Konsequenzen gibt. Wenn es keine Grenzen mehr gibt und unendliche Freiheiten gibt, klingt das zunächst einmal toll, aber auch dies hat seine Nachteile: Es fehlt der Halt, es fehlen die Werte. Gerade tradierte Werte geben dem Menschen Verbindlichkeit und etwas, woran er sich festhalten kann. Wenn dies verloren geht, geht auch die menschliche Identität verloren. Und in diesem Prozess wird dann auch der aus der Mode gekommene Heimatgedanke wieder neu entdeckt und rekultiviert. Ich persönlich kenne viele Beispiele von Menschen, die ganz bewusst aus der Stadt wieder aufs Land ziehen. Meiner Meinung nach ist der Mensch für das großstädtische Leben nicht geschaffen, es stresst ihn unbewusst und er entfernt sich von seiner natürlichen Herkunft. Ländliches Leben in kleineren Einheiten kommt dem menschlichen Wesen näher.