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»Die Natur ist die größte Künstlerin«

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DOMINIK EULBERG
Protokoll: Claudia Heine
»Die Natur ist die größte Künstlerin«

Er nutzt seinen Erfolg als DJ und Musikproduzent für den Schutz der heimischen Arten

Ich bin ohne Fernseher aufgewachsen und da auch mein Vater Biologe ist, war schon als Kind die Natur mein Entertainment-System. Wir hatten ja alles zuhause: Mikroskope, Ferngläser, Spektive, eben alles, was man braucht, um die Natur zu beobachten. Ich kannte schon früh alle Schmetterlinge, Vögel und Pflanzen der Umgebung, lange bevor ich angefangen habe, Biologie zu studieren.

Musik hat mich als Kind dagegen überhaupt nicht interessiert, ich fand das meist affektiert. Aber die Begegnung mit elektronischer Musik als Teenager war wie eine Offenbarung. Das war die erste Musik, die mich wirklich fasziniert hat. Zum einen, weil sie den apodiktischen Fluss des Lebens selbst beschreibt. Dieses Kommen und Gehen, dieses Unbändige, Immerwährende, Fließende. Und sie hat auch meine naturwissenschaftliche Neugier getriggert: Was sind das für komische Sounds? Wo kommen die her? Was ist ein Synthesizer? Nach meinem ersten Ferienjob habe ich mir einen Synthesizer gekauft, ihn auseinandergenommen und wieder zusammengebaut, um dieses Verfahren der Synthese zu verstehen. Ich habe das erstmal ganz naturwissenschaftlich betrieben.

Eigentlich verstehe ich mich auch gar nicht als reiner Musiker, also, ich könnte mich jetzt nicht ans Klavier setzen und Beethoven spielen. Aber mich fasziniert der Sound der Natur und irgendwann war für mich klar: Ich möchte meine beiden Leidenschaften verbinden. Deshalb versuche ich, mit elektronischer Musik dieses Gefühl in der Natur bestmöglich zu beschreiben. Das erste, was Menschen hören, ist der Herzschlag der Mutter, dieser immer wiederkehrende, gleichförmige Rhythmus, das hat uns Menschen konditioniert. Das ist älter als Sprache und diesen monotonen Beat findet man überall auf der Welt, auch bei indigenen Völkern. Am Anfang habe ich in meine Tracks auch Tierstimmen eingebaut, heute versuche ich, den Naturklängen mit meinen eigenen Ideen nahezukommen. Die Natur ist die größte Künstlerin, diese Formen-, Farben- und Klangvielfalt, dieses Überbordende - das ist für mich atemberaubend.

Je erfolgreicher ich wurde, desto mehr war mir klar, ich möchte die Bühnen, die mir geboten werden, für eine tiefe Sinnhaftigkeit nutzen. Was macht denn Leute glücklich? Das ist, wenn man in seinem Tun eine tiefe Sinnhaftigkeit spürt. Und wenn man Musik jetzt nur für Hedonismus und Eskapismus verwendet, fehlt mir da so ein bisschen die Sinnhaftigkeit. Aber über Musik komme ich an die Emotionen der Menschen ran und das ist, glaube ich, ein guter Weg.

Manchmal nehme ich nach einer Klubnacht auch noch Leute mit raus in den Wald auf Tour. Wir müssen rauskommen aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft, wenn wir die Leute für den Schutz der Artenvielfalt begeistern wollen. Rein wissenschaftlich betrachtet wissen wir doch schon so viel über den Verlust von Flora und Fauna, es gibt tausende Studien. Trotzdem geht der Verlust rasant weiter. Nur mit Wissenschaft kommen wir da offenbar nicht voran. Wir müssen eine Empathie erzeugen bei unseren Mitbürgern. Ich nutze deshalb meine Musik, um über die emotionale Ebene Inhalte zu transferieren. Wir brauchen mehr Aufklärung, wir müssen wissenschaftlich evidente Dinge mehrheitsfähig machen. Indem meine Alben Schwerpunkte haben, wie die Farbenvielfalt der heimischen Vögel oder die Welt der Schmetterlinge, sensibilisiere ich die Hörer lustvoll für ein Thema. Das ist mir wichtig. Auf meiner Webseite biete ich auch einen Bestimmungs-Service an. Sehr viele Nutzer schicken mir inzwischen Bilder von Pflanzen oder Tieren, die sie nicht kennen und ich bestimme sie dann. Mit meinem Buch "Mikroorgasmen überall" über die Wunderwelt der Natur vor unserer Haustür versuche ich, den Kreis der Interessierten zu erweitern. Ich mache inzwischen auch Biodiversitäts-Shows, eine multimediale Melange bei der ich halb als Musiker und halb als Wissenschafts-Kommunikator auftrete. Es ist mein Weg, Begeisterung zu erzeugen für etwas, das mich schon so lange fasziniert.

Der Handlungsdruck ist groß. Aber dafür braucht es ein Umdenken und das fängt schon damit an, nicht von einer "Umwelt" zu reden. Es kann nur dann etwas "Umwelt" sein, wenn man selbst das Zentrum von etwas ist. Wir müssen aus der Umwelt wieder eine Mitwelt machen und die Hybris, uns als Zentrum zu sehen, auflösen. Naturschutz ist Menschenschutz und wir sollten uns nicht anmaßen, das Leben auf der Erde zerstören zu können. Es gibt Mikroben, die überleben unter kilometerdicken Eispanzern, die rotten wir nicht aus. Aber wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen, wenn wir den alteingesessenen Lobbyismus nicht durchbrechen. Wir können den drohenden Ökozid aufhalten, es wird jedoch immer klarer, dass wir unsere Mitmenschen emotional erreichen müssen um etwas zu bewegen, da wir nur das schützen, was wir lieben.